Seit Wochen geistert die sogenannte Kaltwassergrill-Challenge durch Facebook. Dutzende Gruppierungen aus dem Landkreis Amberg-Sulzbach haben sich an der Aktion beteiligt. Jetzt stemmen sich die ersten gegen den Gruppenzwang.

Der Auftrag ist immer derselbe: Ein Verein oder eine Firma muss ein paar Leute zusammentrommeln, die sich dann möglichst barfüßig in einen Bach oder einen Weiher stellen, um dort zu grillen. Hat die Gruppe diese Aufgabe 
erfüllt, benennt sie drei weitere Institutionen, die dem Beispiel folgen sollen. Kommt sie der Aufforderung nicht nach, muss sie ein Spanferkel spendieren. Eine Schnapsidee, die als Schneeballsystem seit mehreren Wochen auf Facebook die Runde macht – mittlerweile auch im Kreis Amberg-Sulzbach. Dutzende, wenn nicht sogar mehr als Hundert Vereine, Stammtische und Betriebsbelegschaften haben sich daran beteiligt.

Der Heimat- und Kulturverein (HKV) Köfering ist eine der Organisationen, die die Gaudi zwar mitgemacht haben, aber den Gruppenzwang gerne durchbrechen wollen. HKV-Vorsitzender Josef Vogl hat bewusst keine weiteren Gruppen nominiert. „Gerade diese Challenge ist aus unserer Sicht völlig sinnfrei“, sagt er. „Wir haben uns lange darüber unterhalten, ob wir trotz Nominierung überhaupt darauf reagieren. Aber wir wollten den Druck nehmen, dass einzelne Mitglieder blöd angesprochen und als Langeweiler oder Spielverderber dargestellt werden.“ Vogl sagt, er finde diese Aktionen generell „genauso sinnfrei wie Kettenbriefe als E-Mail in den 90-er Jahren à la ,Wenn du diesen Brief nicht an 20 Leute weiterleitest, hast du 10 Jahre lang Pech'“.

Die Verfasser sollten sich einmal Gedanken darüber machen, dass sie „außer Stress nichts mit diesen Aktionen auslösen. Und Stress haben in der Regel gerade Vereinsverantwortliche genug, da braucht man den Künstlichen nicht auch noch“.

Dabei gibt der HKV-Vorsitzende nicht in erster Linie Facebook die Schuld. Der Online-Dienst sei ja nur das Medium. Vogls Kritik zielt auf die Mediennutzer“Warum hat die Gesellschaft Lust darauf, so etwas zu konsumieren?“, fragt er ohne darauf eine Antwort geben zu wollen. Dabei setzt auch er – wie viele andere Vereine – immer mehr auf Öffentlichkeitsarbeit in den sozialen Netzwerken. „Ob wir Smartphones, Whats-App, Facebook oder Instagram mögen oder nicht spielt längst keine Rolle mehr. Diese Medien sind Teil unseres Lebens, wir müssen mit ihnen leben.“

Zum Kaltwassergrillen aufgefordert worden war der HKV Köfering sogar von mehreren Gruppen: darunter die Junge Union Amberg-Sulzbach und die Kirwagemeinschaft Hohenkemnath. Vogl verkündete, die 200 Euro – so viel setzt er für die Spanferkel-Party an – lieber der Pfarrei zu spenden.

Quelle: https://www.onetz.de

Angemerkt
Von Michael Zeißner

Womöglich in einer Bierlaune entstanden, kann Kaltwassergrillen durchaus Sympathiewerte einer originellen Schnapsidee für sich beanspruchen. Am Anfang, ganz am Anfang. Dann wurde eine Challenge (dt. Herausforderung) daraus und schnell war es aus mit dem ungezwungenen Spaß, bei dem auch noch eine kleine Wohltätigkeit in Form einer gemeinnützigen Spende abfallen sollte.Spätestens ab dem Zeitpunkt, als ein Facebook-Hype daraus wurde – und das ging systemimmanent schnell -, war Schluss mit lustig. Verkommen zu einem plumpen Kettenbrief-Phänomen steht jetzt der gnadenlose öffentliche Gruppenzwang im Vordergrund. Weg, verschwunden ist die Unbefangenheit einer harmlosen Gaudi.

Nun regiert die Nötigung in aller Öffentlichkeit: Machst Du nicht mit, stehst Du als Spaßbremse, Spielverderber, Miesepeter am sozialen Netzwerk-Pranger. Ein anfangs harmloser Gag mutierte in der Sinnleere einer auf Exhibitionismus angelegten Massenkommunikation zum Synonym für die destruktiven Qualitäten sozialer Netzwerke. Schön, dass jemand den Mut gefunden hat, diese Spirale massenmedialer Geistlosigkeit zu durchbrechen.